Auch in der Krise: Kündigung beibt letztes Mittel –   Interview mit der OZ vom 24.03.2020 zur Kurzarbeit u.a.

Ostfriesland – Seit dem Aufkommen der Coronakrise und den Schließungen von Läden, Restaurants und anderen Betrieben ist der Begriff Kurzarbeitergeld ein bedeutendes Gesprächsthema. Aber was bedeutet das? Welche Auswirkungen hat Kurzarbeit für Arbeitgeber und -nehmer? Wie ist das Verhältnis zur betriebsbedingten Kündigung? Die Redaktion hat mit Dr. Katrin Stoye, Fachanwältin für Arbeitsrecht aus Leer, gesprochen.

OZ: Was hat das Thema Kurzarbeit mit dem Coronavirus zu tun?

Katrin Stoye: Das Coronavirus hat Teile der Wirtschaft durch Lieferengpässe und angeordnete Schließungen erheblich in Bedrängnis gebracht. Mit dem Kurzarbeitergeld soll es Betrieben ermöglicht werden, Krisen durchzustehen, ohne Mitarbeitern kündigen zu müssen. Die Kündigung ist arbeitsrechtlich das letzte Mittel – und sollte das auch in Zeiten wie diesen bleiben. Voraussetzung für eine Kündigung ist, dass der Arbeitsplatz wegfällt und keine andere Beschäftigung im Unternehmen möglich ist. Ein nur vorübergehender Auftragsrückgang wie in der Coronakrise reicht gerade nicht aus. Zudem muss eine Kündigung immer verhältnismäßig sein, also das mildeste Mittel gewählt werden. Dies ist bei Schließungen und Auftragsrückgängen nach dem Abbau von Überstunden und Resturlaub die Kurzarbeit.

OZ: Warum ist Kurzarbeit aus Ihrer Sicht die bessere Lösung?

Stoye: Die Betriebe haben sofort eine Ersparnis und müssen nicht die Kündigungsfrist voll durchbezahlen. Zudem können Arbeitgeber schnell auf eine geänderte Marktlage und geänderte Verordnungen reagieren, ohne neues Personal suchen und einarbeiten zu müssen.

Damit es den Unternehmen erleichtert wird, Kurzarbeit genehmigt zu bekommen, hat der Gesetzgeber wegen der aktuellen Coronakrise einiges geändert. So reicht es inzwischen aus, dass mindestens zehn Prozent der Beschäftigten (statt bisher ein Drittel) von einem Arbeitsausfall betroffen sind. Auf den Aufbau von Minusstunden wird vollständig verzichtet. Zudem bekommt der Arbeitgeber die Sozialversicherungsbeiträge, die er für die kurzarbeitenden Arbeitnehmer allein tragen muss, von der Bundesagentur für Arbeit erstattet.

OZ: Was passiert, wenn Arbeitnehmer in Kurzarbeit geschickt werden?

Stoye: In Kurzarbeit arbeiten die Menschen weniger.  Es ist auch möglich, dass einzelne Arbeitnehmer gar nicht mehr auf der Arbeit erscheinen müssen. Der Arbeitgeber zahlt das Entgelt nur noch in dem Umfang zu 100 Prozent, in dem der Arbeitnehmer während der Kurzarbeit beschäftigt wird. Zudem erhält der Arbeitnehmer für den weggefallenden Arbeitsanteil grob gesagt 60 Prozent – mit Kindern 67 Prozent – seines Nettogehalts. Die Bundesagentur für Arbeit erstattet dies dem Betrieb.

OZ: Kann ein Arbeitnehmer von heute auf morgen in Kurzarbeit geschickt werden?

Stoye: Das kommt darauf an, ob im Betrieb eine Grundlage für die Einführung der Kurzarbeit besteht. So gibt es teilweise in Arbeitsverträgen oder Tarifverträgen Klauseln, die eine Kurzarbeit zulassen. Andernfalls muss der Arbeitgeber die Kurzarbeit mit dem Betriebsrat in einer Betriebsvereinbarung regeln oder – falls keiner vorhanden ist – mit den Beschäftigten eine Vereinbarung über die Kurzarbeit treffen beziehungsweise sich einzeln die Zustimmung geben lassen. Welche Mitarbeiter in Kurzarbeit geschickt werden, bestimmt das Unternehmen selbst. Dabei können auch nur bestimmte Abteilungen betroffen sein, die durch die Krise besonders wenig oder nichts mehr zu tun haben.

OZ: Wie lange darf die Kurzarbeit dauern?

Stoye: Laut Gesetz höchstens zwölf Monate. Die aktuell beschlossenen Regelungen gelten rückwirkend zum 1. März und bis zum 31. Dezember. Wie lange die Krise wirklich andauert oder ob die Länge der möglichen Kurzarbeit noch geändert wird, kann heute allerdings noch niemand verlässlich sagen.

OZ: Betrifft Kurzarbeit auch Auszubildende, Minijobber und Leiharbeitnehmer?

Stoye: Azubis sind keine Arbeitnehmer und erhalten daher kein Kurzarbeitergeld. Geringfügig Beschäftigte zählen zwar bei der Frage des Stundenabbaus mit, können aber ebenfalls kein Kurzarbeitergeld erhalten, Leiharbeiter aufgrund der neuen Regelungen jedoch schon.

OZ: Kann einem Beschäftigten während der Kurzarbeit gekündigt werden?

Stoye: Grundsätzlich ja. Dafür muss die Beschäftigungsmöglichkeit auf Dauer entfallen. Bei einer Kündigung ist zudem die vertragliche, tarifliche oder gesetzliche Kündigungsfrist einzuhalten. Ab Ausspruch einer Kündigung kann kein Kurzarbeitergeld mehr bezogen werden.  Abzuraten ist in jedem Fall von Aufhebungsverträgen. Denn jeder Arbeitnehmer, der an seiner Kündigung mitwirkt oder zum Beispiel auf die Kündigungsfrist verzichtet, bekommt von der Agentur für Arbeit eine bis zu dreimonatige Sperre, in der kein Geld fließt und er nicht versichert ist.

Noch eine wichtige Information am Schluss: Auf die Höhe des Arbeitslosengeldes hat eine vorherige Kurzarbeit keine Auswirkungen.