Was Sie unbedingt zu Tarifverträgen und Allgemeinverbindlicherklärungen wissen sollten!

1. Anwendbarkeit von Tarifverträgen

Die Regelungen eines Tarifvertrags der jeweiligen Branche, in der ein Arbeitnehmer tätig ist, sind nicht etwa automatisch im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses anwendbar. Sie gelten nur, wenn entweder:

  • sowohl Arbeitgeber als auch Arbeitnehmer Mitglied der Tarifvertragsparteien sind oder – bei einem Firmen- bzw. Haustarifvertrag – der Arbeitgeber selbst Tarifvertragspartei ist, also Tarifbindung besteht (§§ 3 Abs. 1, 4 Abs. 1 TVG). Enthält der Tarifvertrag betriebliche oder betriebsverfassungsrechtliche Normen, ist die Mitgliedschaft des Arbeitnehmers in der tarifschließenden Gewerkschaft insoweit entbehrlich (§ 3 Abs. 2 TVG), solche Tarifnormen gelten bereits bei alleiniger Tarifbindung des Arbeitgebers, da diese nur einheitlich im Betrieb gelten können (z.B. Torkontrollen, technische Überwachungseinrichtungen, Kleiderordnungen, Rauchverbote, Lage der Schichtzeiten u.a.;
  • die Anwendung des Tarifvertrags zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer im Arbeitsvertrag vereinbart worden ist (einzelvertragliche Bezugnahmeklausel) oder
  • der Inhalt des Tarifvertrags für allgemeinverbindlich erklärt worden ist (§ 5 TVG).

 

2. Die Allgemeinverbindlicherklärung von Tarifverträgen

Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales kann einen Tarifvertrag im Einvernehmen mit einem aus je drei Vertretern der Spitzenorganisationen der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer bestehenden Ausschuss auf gemeinsamen Antrag der Tarifvertragsparteien unter bestimmten Voraussetzungen für allgemeinverbindlich erklären:

  • wenn die Allgemeinverbindlicherklärung im öffentlichen Interesse geboten erscheint, also wenn der Tarifvertrag in seinem Geltungsbereich für die Gestaltung der Arbeitsbedingungen überwiegende Bedeutung erlangt hat oder die Absicherung der Wirksamkeit der tarifvertraglichen Normsetzung gegen die Folgen wirtschaftlicher Fehlentwicklung eine Allgemeinverbindlicherklärung verlangt
  • und ein wirksamer Tarifvertrag besteht (insbesondere Schriftformerfordernis des § 1 Abs. 2 TVG gewahrt und Geltungsbereich des Tarifvertrags von der Tarifzuständigkeit der vertragsschließenden Verbände umfasst sowie kein Verstoß gegen höherrangiges Recht).

Mit der Allgemeinverbindlicherklärung eines Tarifvertrags erfassen dessen Rechtsnormen innerhalb seines Geltungsbereichs auch die bisher nicht tarifgebundenen Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Das bedeutet, der Tarifvertrag ist auch für Arbeitgeber und Arbeitnehmer verbindlich, die nicht bereits als Mitglieder der den Tarifvertrag abschließenden Verbände bzw. Gewerkschaften tarifgebunden sind.

 

3. Aktuelles Urteil des BAG

Nach einem aktuellen Urteil des BAG sind die Allgemeinverbindlicherklärungen vom 6. Juli 2015 des Tarifvertrags über das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe (VTV), des Bundesrahmentarifvertrags für das Baugewerbe (BRTV), des Tarifvertrags über die Berufsbildung im Baugewerbe (BBTV) und des Tarifvertrags über eine zusätzliche Altersversorgung im Baugewerbe (TZA Bau) rechtswirksam. Die nach § 5 TVG geforderten Voraussetzungen waren erfüllt; insbesondere bestand ein öffentliches Interesse an den Allgemeinverbindlicherklärungen (zitiert aus: BAG, Beschluss vom 21. März 2018 – 10 ABR 62/16, Pressemitteilung Nr. 16/18). Die Tarifverträge waren daher auch von nicht tarifgebundenen Arbeitgebern der Branche in vollem Umfang anzuwenden, vor allem die Tariflöhne und sonstige tarifliche Arbeitsbedingungen einzuhalten und die Beiträge an die Sozialkassen des Baugewerbes (SOKA-BAU) für die Urlaubs- und Lohnausgleichskasse sowie für zusätzliche Altersversorgungsleistungen abzuführen.

 

In den letzten Jahren waren dagegen diverse Allgemeinverbindlicherklärungen (AVE VTV 2012, 2013 und 2014) für unwirksam erklärt worden (vgl. nur BAG, Beschlüsse vom 25.1.2017 – 10 ABR 34/15 – und 10 ABR 43/15 sowie vom 21.9.2016 – 10 ABR 48/15 –)

 

Erschienen in: SonntagsReport vom 14./15.04.2018